
In unserer Kolumne Grünlicht Milieu befassen wir uns jeden Monat mit einem anderen, kontroversen Thema, das die Nachhaltigkeits-Bubble beschäftigt. Diesmal: Putzmittel-Tabs.
Die meisten Menschen bringen Putzmittel-Tabs wohl unweigerlich mit Everdrop in Verbindung. Anfang 2020, pünktlich zur Corona-Pandemie und dem ersten Lockdown, ist das Start Up aus München voll durchgestartet und hat es geschafft, einen echten Hype um Produkte zu kreieren, die eigentlich maximal unsexy sind: Putzmittel. Und als ob das nicht faszinierend genug wäre, konnten sie sogar ein Öko-Image aufbauen. Und das, obwohl die Tabs sich von ihren Inhaltsstoffen her kaum von konventionellen Putzmitteln unterscheiden.
Die Frage der Fragen: Sparen Putzmittel-Tabs wirklich CO2?
Vor allem ein Narrativ hat maßgeblich zu diesem Image beigetragen: Nämlich die Idee, dass Putzmittel-Tabs ökologischer sind, da sie deutlich leichter sind als fertig gemischte Reiniger und so CO2 im Transport sparen. Das klingt einleuchtend. Ein Artikel der ZEIT hat diese Erzählung im vergangenen Jahr ein wenig erschüttert: Die Redakteur:innen schreiben in dem Artikel, dass einige Zutaten, die in den Tabs stecken, in flüssiger Form vorliegen und unter erheblichem Energieaufwand getrocknet werden müssten. Das wirke sich auf die CO2-Rechnung aus. Aber ob das die gesparten Emissionen beim Transport aufwiegt? Laut den Redakteur:innen unklar, denn darüber könne nur eine Lebenszyklus-Analyse Aufschluss geben. Und Everdrop zumindest konnte auf Anfrage keine vorlegen.
Dass Everdrop nicht über eine solche Analyse verfügt heißt aber noch lange nicht, dass es sogenannte Life Cycle Assessments zu Tab-Produkten nicht gibt. Ich habe deshalb einige Hersteller angefragt und konnte so tatsächlich mit jemandem sprechen, dessen Produkte einer Analyse unterzogen wurden. Nämlich mit Sebastian Jung, dem Gründer von Seifenbrause. Sein Unternehmen verkauft zwar keine Putzmittel-Tabs, dafür aber Handseifen-Pulver zum selbst anrühren. Das Prinzip ist das gleiche: Pulver und Wasser werden vermengt und so soll eine Flasche mit Flüssigseife gespart werden. Zum Zeitpunkt der Analyse verkaufte sein Unternehmen das Produkt sogar in Tab-Form.
So groß ist die CO2-Ersparnis
Dass nun stattdessen ein Pulver verkauft wird, sei eine Konsequenz aus der Lebenszyklusanalyse, erklärt Jung. Denn: Die Zitronensäure, die zum Auflösen des Tabs benötigt wird, machte damals einen großen Teil des CO2-Fußabdruckes des Produktes aus. Durch den Umstieg auf ein Pulver konnte der Anteil der Zitronensäure im Produkt erheblich gesenkt werden. Das wirkt sich positiv auf den ökologischen Fußabdruck des Produktes aus.
Im Rahmen der Lebenszyklusanalyse wurden für die Seifenbrause-Tabs jeweils die CO2-Bilanz für die Bereiche Nutzung, Produktion und Transport berechnet. Das Ergebnis: 35 Prozent der Emissionen entstehen in der Nutzungsphase des Produktes, 52 Prozent während der Produktion und nur 12 Prozent entfallen auf den Transport. Dass der Anteil des Transportes so gering ist, liege vor allem am geringen Gewicht der Produkte, so die Autor:innen der Analyse. Außerdem weisen sie darauf hin, dass eine zunehmende Anzahl an Inhaltsstoffen auch ein “Mehr” an Emissionen bedeutet. 46 Prozent der Emissionen im Bereich Produktion entfielen in der Analyse auf die Zitronensäure, da diese sehr energieintensiv zu produzieren sei. Zehn Tabletten verursachen laut Analyse 0,1125 kg CO2 in der Produktion.
“Die Ergebnisse von unserem Life Cycle Assessment wurden zwei Studien zum Carbon Footprint von flüssigen Handseifen gegenübergestellt, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen”, erklärt Sebastian Jung, “je nachdem, welche Studie man nimmt, haben unsere Seifen schon damals neun bis vierzehn Mal weniger CO2 verursacht als konventionelle Handseifen.”
Putzmittel-Tabs sparen Plastik!
Der zweite entscheidende Vorteil für die Umwelt, mit dem Hersteller von Tab-Produkten werben, ist die Ersparnis von Plastikflaschen. Denn die Tabs kann man immer wieder in ein und derselben Flasche lösen, ganz im Gegensatz zu “normalen” Reinigern aus dem Drogeriemarkt. Das ist ein Vorteil, den man den Tabs allemal lassen muss. Allerdings stellt gerade das Nachfüllen einen Schwachpunkt der Produkte dar: Denn es können Keime in der Flasche zurückbleiben. Die Hersteller steuern hier mit Konservierungsmitteln gegen. Während der Bad-Tab von Everdrop auf 18 Inhaltsstoffe kommt, enthält ein vergleichbares Produkt von Sonnett (und damit einer Marke, die in jedem Bio-Markt steht) nur vier Stoffe, darunter kein Konservierungsmittel. Leider stellen nicht alle Hersteller von Putzmittel-Tabs die Produktdatenblätter online zur Verfügung. Sprich, man kriegt nicht in jedem Fall raus, was genau drin steckt.
Diese Schwachstelle von Tab-Produkten habe ich übrigens auch selbst zu spüren bekommen: Nämlich dann, als zwei von drei Reinigern von Moanah angefangen haben, in ihren Flaschen zu schimmeln. Und zwar noch bevor ich nachfüllen könnte. Nach nur wenigen Monaten hat sich plötzlich die Konsistenz des Produktes verändert und es haben sich schwarze Ablagerungen am Rand gebildet. Ziemlich unappetitlich! Und enttäuschend, schließlich sollen die Reiniger laut Hersteller 18 Monate lang halten. Aber laut Website (die zugegebenermaßen nur spärlich mit Informationen gefüttert ist) sind auch keine Konservierungsmittel enthalten – vielleicht ist das der Grund für den Schimmel in den Flaschen.
Putzleistung absolut nicht befriedigend
Und es gibt eine weitere Schwachstelle von Tab-Produkten, die ich persönlich kennenlernen durfte. Ich persönlich war von Anfang an nicht zufrieden mit der Putzleistung der Produkte. Im Vergleich zu meinen Reinigern von Frosch oder Sonnett konnten die selbstgemixten Flaschen einfach nicht mithalten. Als ich dann den berühmten Artikel der ZEIT gelesen habe, habe ich gelernt, dass das ein sehr wahrscheinlich systematisches Problem der Tab-Produkte ist. Im Artikel kommt Reinhard Schneider, Chef des Frosch-Produzenten Werner & Mertz, zu Wort. Die Everdrop-Gründer hatten ihn damals gebeten, die Tabs zu produzieren. Er lehnte ab, unter anderem, weil ihm die Putzleistung nicht ausgereicht habe. Dazu erklärt er:
“Es gibt gute Gründe, warum Putzmittel in der Regel flüssig sind. Wenn ich sie in Trockenform bringe, ist der Leistungsabfall dramatisch. Das ist wie bei gutem Wein, den können Sie auch nicht trocknen und wieder vernässen, ohne dass er leidet.” Außerhalb des Internets, sagt Schneider, gebe es halt “ein paar chemische Fakten, die man sich nicht zurechtbiegen kann”. Zitat aus dem Artikel ‘Die Aufschäumer’, erschienen bei ZEIT
Auch wenn es also wahrscheinlich ein Problem des Konzeptes Putzmittel-Tab ist, will ich die Frage nach der Putzleistung nicht an die allzu große Glocke hängen. Denn ich kenne genug Leute, die damit gut zurechtkommen – ich aber eben nicht. Außerdem bleibt in dem ganzen Artikel offen, welche Zutaten denn vorher flüssig gewesen sein sollen. Ich habe selbst schon festes Shampoo hergestellt und dafür ein Tensid benutzt, das als Pulver vorliegt. Auch Zitronensäure, die in vielen Tabs enthalten ist, wird als Pulver verkauft. Schneiders Zitat wirkt, als würden Tabs produziert, indem flüssige Putzmittel getrocknet werden – das ist so aber schlichtweg falsch. Insofern hinkt der Vergleich mit dem Wein für mich.
Auf die inneren Werte kommt es an
Für mich bleibt zum Schluss die Erkenntnis: Ja, Putzmittel-Tabs bieten Vorteile für die Umwelt. Sie sparen effektiv Verpackungen ein und scheinen auch eine bessere CO2-Bilanz zu haben. Vor allem dann, wenn sie möglichst wenige Inhaltsstoffe haben und sparsam verwendet werden. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam übrigens die Stiftung Warentest, als sie feste und flüssige Shampoos verglichen hat. Die festen Shampoos schnitten deutlich besser ab, was Produktion, Transport & Co. betraf. Im Vergleich zu den CO2-Emissionen, die in der Nutzungsphase durch die Verwendung von heißem Wasser anfielen, war der Anteil an der Gesamtbilanz im Fall der Shampoos allerdings gering. Bei Putzmitteln ist das in dem Maße nicht so zu erwarten. Trotzdem sollte man achtsam mit ihnen umgehen, denn viele enthalten potentiell allergene Duftstoffe.
Es gilt also: Genau hinsehen und Produkte vergleichen. Bio-Siegel wie Ecocert bieten zum Beispiel eine Orientierung. Ansonsten kann man sich die Inhaltsstoffe der Tabs genauer ansehen. Worauf ihr dabei achten könnt, das habe ich hier schon einmal für euch aufgeschrieben. Allerdings müssten dafür alle Hersteller ihre genauen Inhaltsstoffe transparent machen. Und hier besteht definitiv Nachholbedarf – übrigens nicht nur im Bereich Putzmittel, sondern generell. Es ist immer wieder ein bisschen erschütternd, wie intransparent manche nachhaltigen Unternehmen arbeiten. Da hilft nur nachfragen und nerven.